In der Insolvenz des Arbeitgebers stellen sich auch für den Arbeitnehmer zahlreiche Fragen, regelmäßig geht es vor allem darum, ob seine Forderungen Insolvenz- oder Masseforderungen darstellen. Dies ist deshalb entscheidend, da Masseforderungen vorab vollständig befriedigt werden müssen. Insolvenzforderungen begleicht der Insolvenzverwalter hingegen nur im Rahmen der Quote: Sämtliche Insolvenzgläubiger, also neben dem Arbeitnehmer auch Geschäftspartner des Arbeitgebers etc. müssen sich teilen, was noch übrig bleibt von der Masse – nach Abzug der Masseverbindlichkeiten. Die Quote ist daher regelmäßig sehr gering und tendiert gegen Null.
Gerade im Falle einer drohenden Insolvenz erhöht sich das Risiko, dass wichtige Angestellte das vermeintlich sinkende Schiff verlassen. Nicht selten bieten Unternehmen ihren wichtigsten Angestellten daher Halteprämien an. Hierbei handelt es sich um eine oder mehrere (gestaffelte) Sonderzahlungen für den Fall, dass bis zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt keine Eigenkündigung erfolgt.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12.09.2013 – 6 AZR 980/11) hatte nun zu entscheiden, ob es sich bei einer solchen Halteprämie um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt. In dem konkreten Fall hatte der Arbeitgeber einem wichtigen Angestellten („Senior Director Legal Consolidation and Subsidiaries“) mit Schreiben vom 16.10.2008 mehrere Halteprämien zugesagt für den Fall, dass dieser zu bestimmten Daten noch keine Eigenkündigung ausgesprochen habe. Wörtlich hieß es in dem Schreiben:
„Sehr geehrter Herr . ,
wir freuen uns, dass wir Ihnen zum 31. Januar 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von
30.850,00 € brutto
und zum 31. Mai 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von
30.850,00 € brutto
sowie zum 30. September 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von
30.850,00 € brutto
zusagen können.“
Das Insolvenzverfahren wurde am 23.01.2009 beantragt und am 01. April 2009 eröffnet. Der Insolvenzverwalter verweigerte die Zahlungen ersten beiden Teilzahlungen (31.05.2009 und 30.09.2009) u.a. mit der Begründung, es handele sich um Insolvenzforderungen.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass es bei der Einordnung Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung darauf ankäme, ob eine „Leistung mit Entgeltcharakter“ vorliegt. Zweck der Vorschrift sei, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle vereinbarte Gegenleistung erhält. Zudem müsse der geltend gemacht Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung entstehen. Hier habe der Arbeitnehmer eine Leistung „für“ die Masse erbracht, indem er nach Verfahrenseröffnung weiterhin für den Arbeitgeber gearbeitet habe – sei es auch nur in Form von weiter erwiesener Betriebstreue.
Praxishinweis:
Das Bundesarbeitsgericht hat in den letzten Jahren mehrfach Fälle zu entscheiden gehabt, in denen es um die Differenzierung Insolvenzforderung/Masseverbindlichkeit ging. Die Entscheidungen sind häufig umfangreich und komplex, nicht selten werden sie im Internet falsch wiedergegeben. Gerade bei Sonderzahlungen sollten Arbeitnehmer hier vorsichtig sein und fachkundigen Rat einholen. So ist bei variablen Sonderzahlungen etwa zu berücksichtigen, dass ein Anspruch zwar regelmäßig erst am Ende des Jahres fällig wird, entstanden ist er jedoch zumindest teilweise schon vorher. Das Bundesarbeitsgericht hat Ende 2012 (Urteil vom 14.11.2012 – 10 AZR 793/11) hierzu entschieden, dass Ansprüche auf variable Sonderzahlungen, die Entgelt für geleistete Arbeit sind, regelmäßig zeitanteilig im Bezugsjahr entstehen, auch wenn sie erst nach dem Ende des Bezugsjahres fällig werden. Für Zeiten vor Insolvenzeröffnung sind die betreffenden Ansprüche daher Insolvenzforderungen, für Zeiten nach Insolvenzeröffnung Masseforderungen. Droht eine Insolvenz ist bei der Verhandlung einer Halteprämie genau auf den Wortlaut der Vereinbarung zu achten.