Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat kürzlich darüber zu entscheiden gehabt, ob eine Kündigung aufgrund privater Nutzung des Internets gerechtfertigt sein kann (Urteil vom 06.05.2014 – 1 Sa 421/13).
Der Fall:
Der 1967 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder) war seit 22 Jahren bei der Beklagten mit der Herstellung von sog. Anti-Dröhn-Pasten beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb ca. 30 Mitarbeiter.
Die Beklagte fand heraus, dass der Kläger unter anderem die Seiten von Facebook, Xing und anderen sozialen Netzwerken besucht hatte. Der Kläger habe einen Musik-Download-Ordner eingerichtet, CD-Programme installiert, an diversen Chat-Programmen teilgenommen und auch eine Vielzahl privater Fotos gespeichert. Diese hätten sich alle auf der Festplatte des Firmenrechners befunden. Die schriftlich ausgedruckten Aufstellungen über die vom Kläger besuchten Internet-Seiten umfassten für den Dezember 2012 237 Seiten, für den Januar 2013 47 Seiten, für den Februar 2013 33 Seiten und für die Zeit bis zum 13. März 2013 noch einmal 15 Seiten.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich.
Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag des Klägers abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, da der Kläger unstreitig das Internetportal UseNeXT auf das betriebliche Datensystem der Beklagten heruntergeladen habe. Damit habe er nicht nur erhebliche Mengen von Daten aus dem Internet auf das betriebliche Datensystem heruntergeladen und Störungen der Betriebssysteme in Kauf genommen, sondern auch die Gefahr möglicher Vireninfizierung der bei der Beklagten verwendeten Software.
Die Entscheidung:
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers abgewiesen. Wörtlich führt es in seiner Entscheidung aus:
„Die Kündigung ist nicht mangels sozialer Rechtfertigung rechtsunwirksam […]. Der Kl. (Kläger) hat durch einen massiven Download von Daten aus dem Internet seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Dieser Download war darüber hinaus mit erheblicher Gefahr der Infizierung des betrieblichen Datensystems mit Viren verbunden. Dies rechtfertigt auch im Rahmen einer Interessenabwägung und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kl. nicht einschlägig abgemahnt ist, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
[…] Nach der Rechtsprechung des BAG kommt eine Kündigung wegen privater Nutzung des Internets dann in Betracht, wenn entweder der Arbeitnehmer entgegen einem ausdrücklichen Verbot oder einer einschlägigen Abmahnung das Internet für private Zwecke nutzt, oder wenn eine Nutzung in einem solchen Ausmaß erfolgt, dass der Arbeitnehmer nicht annehmen könne, sie sei vom Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt. Weitere Pflichtverletzungen können darin liegen, dass eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme heruntergeladen werden (unbefugter Download), insbesondere wenn damit die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des Betriebssystems verbunden sein können, ferner die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt […].
Ist eine umfangreiche private Nutzung des Internets durch den Arbeitgeber belegt, muss der Arbeitnehmer vortragen, dass ihm nicht im ausreichendem Umfang Arbeit vom Arbeitgeber zugewiesen worden ist […].
Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt grundsätzlich das so genannte Prognose-Prinzip. Eine in der Vergangenheit begangene Pflichtverletzung muss sich noch in der Zukunft auf das Arbeitsverhältnis belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist eine Abmahnung nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann, oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, NZA 2009, NZA Jahr 2009 Seite 1198 Rn. NZA Jahr 2009 Seite 1198 Randnummer 32 f.). Für eine Kündigung wegen privater Internetnutzung ohne vorhergehende Abmahnung hat das BAG entschieden, dass bei einer Nutzung des Internets während der Arbeitszeit in erheblichem zeitlichem Umfang („ausschweifend“) er grundsätzlich nicht darauf vertrauen könne, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Nach dieser Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist, wenn sein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt und gleichwohl eine entsprechende Vergütung dafür beansprucht. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber keine klarstellenden Nutzungsregelungen für den Betrieb aufgestellt hat. Bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers ist eine private Nutzung des Internets grundsätzlich nicht erlaubt. Weist in diesen Fällen die Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Arbeit einen erheblichen zeitlichen Umfang auf, kann der Arbeitnehmer in keinem Fall mit einer Duldung ernsthaft rechnen. Deshalb muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung […].
Dem können auch fehlende organisatorische Regelungen der Bekl. zur privaten Internetnutzung nicht entgegen gehalten werden. Ohne ausdrückliche Erlaubnis oder stillschweigende Duldung des Arbeitgebers ist diese Nutzung verboten, da sie sich als Verstoß gegen die durch den Arbeitsvertrag begründete Arbeitspflicht darstellt. Zu einer Duldung der privaten Internetnutzung durch die Bekl. fehlt es – wie bereits ausgeführt – an konkreten Darlegungen des Kl. Ohne Anhaltspunkte für eine Privatnutzung kann es sich im Rahmen der Interessenabwägung nicht zum Nachteil der Bekl. auswirken, wenn sie auf eine Überwachung der PC-Nutzung ihrer Mitarbeiter verzichtet und diesen vertraut. Bei nur 30 beschäftigten Arbeitnehmern, davon 15 mit einem PC-Zugang, darf die Bekl. ihr Vertrauen in die Loyalität der Mitarbeiter durch das Unterlassen der Kontrolle zum Ausdruck bringen.“
Praxishinweis:
Die private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit kann einen Kündigungsgrund darstellen. Regelmäßig ist hier allerdings zuvor eine Abmahnung erforderlich. Wie unter anderem das o.g. Urteil zeigt, können von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmer im Rahmen einer Kündigungsschutzklage auch außergewöhnliche Einwände erheben, etwa, dass der Arbeitgeber ihnen nicht ausreichend Arbeit zugewiesen hat. Oftmals surfen Arbeitnehmer bekanntermaßen auch aus „Langeweile am Arbeitsplatz“ privat im Internet. Zahlreiche weitere Einwände sind denkbar und sollten unbedingt geprüft werden, bevor eine Kündigung akzeptiert wird. Aus Arbeitgebersicht ist ratsam, die private Nutzung des Internets einzuschränken und etwaige Verbote auch in der Praxis zu kontrollieren. Hier lediglich ein Verbot im Arbeitsvertrag festzusetzen, reicht oftmals nicht aus.