Meldet der Arbeitgeber Insolvenz an, haben viele Beschäftigte Angst vor einer Kündigung. Hier erfahren Sie, warum diese Sorge nicht immer berechtigt ist und was Sie bei Insolvenz Ihres Arbeitgebers wissen müssen.

1. Beendet die Insolvenz das Arbeitsverhältnis?
2. Ist die Insolvenz ein Kündigungsgrund?
3. Welche Erleichterungen für die Kündigung gelten in der Insolvenz?
a) Interessenausgleich
b) Feststellung der betrieblichen Erfordernisse durch das Gericht?
c) Kündigung von befristeten Verträgen und bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündigung
4. Welche Kündigungsfrist gilt in der Insolvenz?
5. Schadensersatz als Ausgleich für die kurze Kündigungsfrist
6. Ist eine Abfindung bei Insolvenz realistisch?
7. Was gilt in der vorläufigen Insolvenz?
8. Was ist, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen noch Gehalt schuldet?
9. Was sollten Sie bei einer Kündigung in der Insolvenz unternehmen?
10. Fazit

1. Beendet die Insolvenz das Arbeitsverhältnis?

Ist Ihr Arbeitgeber insolvent, ändert dies zunächst nichts an Ihrem Arbeitsverhältnis. In § 108 Insolvenzordnung (InsO) ist ausdrücklich bestimmt, dass Arbeitsverhältnisse auch nach Insolvenzeröffnung unverändert bestehen bleiben.

Allerdings haben Sie in aller Regel einen neuen Ansprechpartner bzw. obersten Vorgesetzten. Es wird meist nämlich ein sogenannter Insolvenzverwalter bestellt, der fortan das Vermögen des Insolvenzschuldners (sprich: Ihres Arbeitgebers) verwaltet. Er tritt also gewissermaßen an die Stelle des Arbeitgebers und entscheidet auch über Kündigungen.

Der Arbeitgeber behält nur das Sagen, wenn das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchgeführt wird.

2. Ist die Insolvenz ein Kündigungsgrund?

Nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur unter engen Voraussetzungen kündigen (Ausnahme: Kleinbetrieb = nicht mehr als 10 Arbeitnehmer). Hieran ändert auch die Insolvenz des Arbeitgebers nichts. Ihre Entlassung ist deshalb nur möglich, wenn ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben ist.

Eine Kündigung, die ausschließlich auf die Insolvenz (oder die wirtschaftliche Notlage des Arbeitgebers) gestützt wird, ist deshalb unwirksam.

Zur Klarstellung: Ist ein Unternehmen insolvent, heißt das nicht, dass es von einem Tag auf den anderen aufhört zu existieren. Der Betrieb läuft in aller Regel zunächst weiter. Nicht selten können insolvente Gesellschaften oder einzelne Teile erfolgreich aus der Insolvenz herausgeführt werden.

Allerdings werden in der Insolvenz häufig betriebliche Umstrukturierungen vorgenommen. Betriebsbedingte Kündigungen sind dann unter Umständen möglich. Das ist zum Beispiel in folgenden Konstellationen denkbar:

• Eine Filiale wird geschlossen und sämtliche dort beschäftigten Arbeitnehmer entlassen.
• Dauerhafte Minderung der Produktion.
• Auslagerung bestimmter Arbeiten an Drittunternehmen: z. B. Reinigungsservice im Gebäude.

Zwar sind in diesen Fällen betriebliche Kündigungen nicht von Vornherein ausgeschlossen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie in diesem Zusammenhang immer wirksam sind. Schließlich gelten die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung unverändert fort. Der Arbeitgeber muss also beweisen können, dass…

• …er den Arbeitnehmer tatsächlich auf Dauer nicht mehr beschäftigen kann (allein die Insolvenz reicht als Begründung nicht aus!),
• …keine milderen Mittel, wie z.B. veränderte Arbeitsbedingungen, in Betracht kommen,
• …in erster Linie diejenigen entlassen werden, die gemessen an Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderungen am wenigsten schutzwürdig sind (Sozialauswahl) und
• …er den Betriebsrat richtig angehört hat.

Bestimmte Personengruppen sind darüber hinaus besonders geschützt. Ihnen kann auch in der Insolvenz nur unter besonderen Voraussetzungen gekündigt werden. Dazu zählen u.a.:

• Schwerbehinderte
• Betriebsratsmitglieder
• Schwangere
• Eltern in Elternzeit

Dies sind nur wenige der Voraussetzungen, an denen Arbeitgeber mit ihrer Kündigung immer wieder scheitern.

3. Welche Erleichterungen gelten für die Kündigung in der Insolvenz?

Obwohl in der Insolvenz das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, sieht das Gesetz einige Vereinfachungen für den Arbeitgeber vor.

a) Interessenausgleich
Wird der Betrieb umstrukturiert, verhandeln Betriebsrat und Insolvenzverwalter über den sog. Interessenausgleich. Das ist für Sie zunächst einmal vorteilhaft. In den Verhandlungen über den Interessenausgleich bringt der Betriebsrat schließlich die Belange der Arbeitnehmer ein.

Gelegentlich sind im Interessenausgleich allerdings die zu entlassenden Mitarbeiter namentlich bezeichnet. Gem. § 125 InsO hat ein solcher Interessenausgleich mit Namensliste folgende Nachteile für die genannten Arbeitnehmer:

• Bei Kündigungen wegen der Umstrukturierung wird vermutet, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Will sich ein Arbeitnehmer gegen die Kündigung wehren, muss er beweisen, dass gar kein Kündigungsgrund gegeben war.
• Außerdem kann die Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehler überprüft werden.

Die Bezeichnung einzelner Mitarbeiter ist allerdings kein Freischein für den Arbeitgeber. Die Kündigung kann aus unterschiedlichen Gründen noch scheitern (s. Gründe unter b)).

b) Feststellung der betrieblichen Erfordernisse durch das Gericht
Gibt es keinen Betriebsrat oder kommt mit diesem keine Einigung zustande, kann der Insolvenzverwalter sich an das Arbeitsgericht wenden. Dieses stellt auf Antrag fest, ob die geplanten Kündigungen möglich sind und die Sozialauswahl ordnungsgemäß ist (§ 126 InsO). Die Entscheidung des Gerichts hat Bindungswirkung. Sie können Ihre Kündigung daher später nicht mehr mit der Begründung angreifen, dass gar kein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung vorgelegen habe oder die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen sei.

Natürlich können Sie sich aber auf alle anderen Gründe berufen, die Ihre Kündigung unwirksam macht (z. B. unterlassene oder falsche Anhörung des Betriebsrates, keine Massenentlassungsanzeige, besonderer Kündigungsschutz). Zudem hat die vorgegriffene gerichtliche Feststellung keinen Wert mehr, wenn die Umstände sich wesentlich geändert haben. Davon ist z.B. auszugehen, wenn doch noch ein Käufer für das insolvente Unternehmen gefunden werden konnte.

Auch nach einer vorgeschalteten gerichtlichen Prüfung gem. § 126 InsO kann sich eine Klage daher lohnen.

c) Kündigung von befristeten Verträgen und bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündigung

In der Insolvenz ist eine ordentliche Kündigung auch dann möglich, wenn das Arbeitsverhältnis befristet ist oder in einem Tarifvertrag die ordentliche Kündigung ausgeschlossen wurde. Das folgt aus § 113 S. 1 InsO.

4. Welche Kündigungsfrist gilt in der Insolvenz?

Normalerweise hängt die Dauer der Kündigungsfrist davon ab, wie lange Sie bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt waren. Das folgt aus § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

In der Insolvenz besteht dagegen nach § 113 InsO eine Kündigungsfrist von maximal drei Monaten. Wenn nach den allgemeinen Regeln die Kündigungsfrist kürzer als drei Monate ist, bleibt es bei der kürzeren Kündigungsfrist.

Hat der Arbeitgeber bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Kündigung ausgesprochen und galt für diese eine längere Kündigungsfrist als drei Monate, kann der Insolvenzverwalter eine sog. „Nachkündigung“ aussprechen. Diese führt dazu, dass auch für die bereits vor der Insolvenz ausgesprochene Kündigung eine Frist von nur drei Monaten gilt.

Beispiel:
Arbeitnehmer A ist seit zehn Jahren bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Die normale Kündigungsfrist beträgt also vier Monate zum Monatsende. Erhält er am 15.07. ein Kündigungsschreiben, endet das Arbeitsverhältnis normalerweise zum 30.11. Am 18.07. wird das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser erklärt am 20.07. erneut die Kündigung. Das Arbeitsverhältnis wird nun aufgrund der Nachkündigung bereits zum 31.10. beendet.

5. Schadensersatz als Ausgleich für die kurze Kündigungsfrist

Sie können als Arbeitnehmer nach § 113 S. 3 InsO Schadensersatz in Höhe des Lohns verlangen, der Ihnen wegen der verkürzten Frist entgangen ist. Allerdings ist dieser Anspruch eine sogenannte Insolvenzforderung. Weil der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist, erhalten Sie (wie auch alle anderen Gläubiger) meistens nur einen geringen Teil Ihrer Forderung. Das sind in der Regel 2 bis 10 Prozent.

Beispiel:

Im obigen Beispiel hat A einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Monatslohns, weil die Kündigungsfrist von vier auf drei Monate verkürzt wird. Hiervon wird er aber nur einen Bruchteil tatsächlich bekommen.

6. Ist eine Abfindung bei Insolvenz realistisch?

Gerade bei betriebsbedingten Kündigungen werden häufig Abfindungen gezahlt. In der Insolvenz geht es in aller Regel um solche betriebsbedingten Kündigungen. Der Abfindungsanspruch ist meist in einem Sozialplan geregelt. Gelegentlich lassen sich Insolvenzverwalter auch auf Aufhebungsverträge mit Arbeitnehmern ein, die dann Abfindungen erhalten.

In der Insolvenz kommen zwei Besonderheiten hinzu:
• Die Sozialplanabfindungen dürfen nicht höher ausfallen als zweieinhalb Montagsgehälter pro Beschäftigtem. Das gilt für Sozialpläne, die nach der Insolvenzeröffnung abgeschlossen wurden.
• Wurde die Abfindung (aus Sozialplan, einem Tarifvertrag oder anderen Vereinbarungen) vor der Insolvenzeröffnung zugesagt, ist sie bloß eine Insolvenzforderung. Sie wird daher aller Voraussicht nach nur mit 2-10% erfüllt. Hingegen ist mit dem vollen Betrag zu rechnen, wenn der Abfindungsanspruch erst nach der Insolvenzeröffnung zustande kommt (z.B. in einer gerichtlichen Verhandlung, einem Sozialplan, einem Aufhebungsvertrag,…).

7. Was gilt in der vorläufigen Insolvenz?

Die Insolvenz wird erst durch Entscheidung des Amtsgerichts eröffnet. Häufig dauert es nach dem Insolvenzantrag des Arbeitgebers oder eines Gläubigers eine Weile, bis es dazu kommt. Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung läuft daher das sog. vorläufige Insolvenzverfahren. Das Gericht kann dann bereits Maßnahmen treffen, wie zum Beispiel einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen.

Es gibt im Wesentlichen den „schwachen“ und den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter. Der starke vorläufige Insolvenzverwalter hat bereits die Befugnis, das Vermögen des Arbeitgebers zu verwalten und darüber zu verfügen. Nur er kann deshalb Kündigungen aussprechen. Meistens wird jedoch ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt; dann kann weiterhin nur der Arbeitgeber die Kündigung erklären. Üblich ist auch ein Mittelweg, der sog. „halbstarke“ vorläufige Verwalter: Er darf Kündigungen nur mit Zustimmung des Gerichts aussprechen.

Abgesehen davon hat die vorläufige Insolvenz keine Folgen für die Kündigung. Es gelten die normalen Kündigungsfristen und auch die oben erklärten Erleichterungen finden keine Anwendung.

8. Was ist, wenn der Arbeitgeber Ihnen noch Gehalt schuldet?

Hier ist zu unterscheiden:

Offene Gehaltforderungen aus der Zeit vor dem Insolvenzverfahren sind reine Insolvenzforderungen. Es bestehen kaum Aussichten, davon einen nennenswerten Betrag tatsächlich zu erhalten.

Beispiel:
Der Arbeitgeber hat Schulden in Höhe von 1.000.000 Euro und bloß Vermögen in Höhe von 50.000 Euro. Die Insolvenzquote beträgt dann fünf Prozent. Jeder Gläubiger erhält also nur fünf Prozent seiner Forderung. Schuldet Ihr Arbeitgeber Ihnen noch Lohn in Höhe von 1.000 € aus der Zeit vor der Insolvenz, erhalten Sie hiervon lediglich 50 €.

Besser ist Ihre Situation, wenn Ihnen lediglich Gehalt aus den letzten drei Monaten vor der Insolvenzeröffnung fehlt. Für diese Ansprüche kommt die Arbeitsagentur mit dem sog. Insolvenzgeld auf. Sie erhalten dann Ihr „Gehalt“ in voller Höhe – nur eben aus anderer Hand.

Für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Sie in der Regel auf der sicheren Seite. Lohnzahlungen für den Zeitraum ab Verfahrenseröffnung sind nämlich sog. Masseforderungen. Erst wenn diese vollständig erfüllt sind, kommen andere Gläubiger zum Zuge. In den meisten Fällen genügen die noch vorhandenen Mittel für sämtliche Masseforderungen. Sie erhalten also in der Regel den vollen Lohn. Das hat einen guten Grund: Der Verwalter würde Gefahr laufen, persönlich für die Masseverbindlichkeiten zu haften, wenn sie nicht bedient werden können.

9. Was sollten Sie bei einer Kündigung in der Insolvenz unternehmen?

Wie bei allen Kündigungen müssen Sie schnell handeln. Wollen Sie sich gegen die Kündigung wehren, müssen Sie innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Sonst ist Ihr Arbeitsplatz unwiederbringlich verloren.
Außerdem sollten Sie sich umgehend bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden. Andernfalls droht Ihnen eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, sollten Sie Ihren Arbeitsplatz tatsächlich verlieren.

10. Fazit

• Ihr Arbeitsverhältnis besteht auch bei Insolvenz des Arbeitgebers fort, wenn es nicht vom Insolvenzverwalter gekündigt wird.
• Auch in der Insolvenz ist eine Kündigung nur wirksam, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Es gelten zwar Erleichterungen, dennoch sind einige Kündigungen trotz Insolvenz angreifbar.
• Die Kündigungsfrist beträgt nach Insolvenzeröffnung maximal drei Monate.
• Eine Abfindung ist in der Regel insolvenzfest, wenn sie nach Verfahrenseröffnung zugesagt wurde.
• Zahlungsausfälle beim Gehalt vor Insolvenzeröffnung werden vom Insolvenzgeld ausgeglichen. Für die Zeit nach Verfahrenseröffnung können Sie mit voller Bezahlung durch den Arbeitgeber selbst rechnen.
• Wollen Sie sich gegen eine Kündigung wehren, müssen Sie innerhalb von drei Wochen klagen.