Jüngst ermahnte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Ingrid Schmidt, in einem Gespräch mit der F.A.Z. Unternehmen das geltende Arbeitszeitgesetz einzuhalten. Es sei „vorrangig Aufgabe der Vorgesetzten, dafür zu sorgen, dass die vertraglich geschuldete Leistung in der Arbeitszeit erledigt werden kann.“ Das Thema „Überstunden“ führt immer wieder zu Verunsicherung – sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch auf Seiten der Arbeitnehmer. Häufig stellen sich dabei die folgenden Fragen:

1. Darf ein Unternehmen ohne Weiteres Überstunden anordnen?

Nein, die Anordnung von Überstunden ist nicht vom Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) abgedeckt. Es bedarf hierzu grundsätzlich einer rechtlichen Grundlage. So kann die Befugnis zur Anordnung von Überstunden bspw. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mündlich oder schriftlich (meist im Arbeitsvertrag) geregelt sein. Möglich ist auch eine Regelung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. Bei Formulararbeitsverträgen (= ca. 95% aller Arbeitsverträge) ist zudem darauf zu achten, dass die Anzahl der im Höchstfall zu leistenden Überstunden exakt geregelt ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Klausel unwirksam ist und der Arbeitgeber keine Überstunden anordnen darf.

2. Müssen Überstunden vergütet werden? In welcher Höhe?

„Es kommt darauf an“ wie der Jurist gerne antwortet. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber Überstunden auch vergüten. Auch hier sollte der Arbeitnehmer zunächst einen Blick in die vertragliche Regelung werfen. Sofern in einem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Regelung zur Anordnung von Überstunden vorhanden ist (siehe Frage 1), findet sich meistens auch eine Regelung zur Vergütung von Überstunden bzw. zum Freizeitausgleich. Ob der Arbeitgeber Überstunden vergütet oder in Freizeit ausgleicht, kann er nach eigenem Ermessen entscheiden. Existiert keine vertragliche Regelung, folgt der Anspruch auf Überstundenvergütung aus § 612 BGB. Die Höhe der Überstundenvergütung bemisst sich grundsätzlich nach dem durchschnittlichen auf eine Arbeitsstunde entfallenden Gehalt. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen enthalten häufig auch Überstundenzuschläge.

3. Kann ich als Arbeitgeber vertraglich regeln, dass sämtliche Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind?

Eine solche pauschale Überstundenabgeltungsklausel ist zumindest in Formulararbeitsverträgen (siehe Frage 1) unwirksam. Der Arbeitsvertrag muss exakt festlegen, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen (Transparenzgedanke). Dies ist vor allem für Arbeitnehmer interessant, deren Gehalt unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Je höher das Gehalt des Arbeitnehmers liegt, desto großzügiger verfährt die Rechtsprechung im Ergebnis mit den oben genannten pauschalen Abgeltungsklauseln. Es wird dann also schwieriger, die Überstundenvergütung einzuklagen (siehe nächste Frage).

4. Kann ich als Arbeitnehmer Überstundenvergütung (auch rückwirkend) einklagen?

Dies ist grundsätzlich möglich. Der Arbeitnehmer muss jedoch beachten, dass er die volle Darlegungs- und Beweislast trägt. Es obliegt alleine ihm darzulegen und zu beweisen, dass die Überstunden seitens des Arbeitgebers angeordnet worden sind und vor allem wann genau dies der Fall war (tägliche Dokumentation der Arbeitszeiten). Die seitens der Rechtsprechung aufgestellten prozessualen Hürden sollten keinesfalls unterschätzt werden. Schließlich müssen etwaige Ausschlussfristen beachtet werden (siehe Frage 5). Sollten (wirksame) Ausschlussfristen nicht vorhanden sein, kann grundsätzlich für die letzten drei Jahre (Verjährungsgrenze) Überstundenvergütung eingeklagt werden.

5. Worauf sollte ich als Arbeitgeber achten, wenn meine Mitarbeiter regelmäßig Überstunden leisten müssen?

Zum einen sollte sich der Arbeitgeber stets bewusst sein, dass die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Neben potenziellen Ärger mit der Gewerbeaufsicht erhöht sich nachweislich auch die Fehlerquote der Mitarbeiter bei permanenten Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz. Empfehlenswert ist in jeder Hinsicht, die Vergütung bzw. Kompensation von Überstunden wirksam zu regeln. Ist dies nicht der Fall, sollte der Arbeitgeber wenigstens dafür sorgen, dass die Arbeitsverträge wirksame Ausschlussfristen enthalten. Dabei handelt es sich um Klauseln, denen zufolge alle gegenseitigen Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen. So reduziert sich das finanzielle Risiko erheblich. Ein Arbeitnehmer kann dann – etwa im Falle seines Ausscheidens – „nur noch“ Überstundenvergütung für die letzten drei Monate geltend machen anstelle der letzten drei Jahre. Bei der Formulierung von Regelungen zu Ausschlussfristen muss jedoch genau darauf geachtet werden, dass bestimmte Erfordernisse seitens der Rechtsprechung eingehalten werden. Ansonsten ist die Klausel – wie in der Praxis sehr häufig – unwirksam.

Praxishinweis:

Sollten Sie als Arbeitgeber Bedenken im Hinblick auf potenzielle Überstunden haben, beraten wir Sie gerne über Ihre finanzielle Risiken und unterbreiten Ihnen Vorschläge zur erheblichen Reduzierung Ihrer Risiken. Als Arbeitnehmer können Sie uns jederzeit gerne kontaktieren, sofern Sie zu viel (ohne Vergütung) arbeiten. Das Problem für den ein oder anderen Arbeitnehmer, Überstundenvergütung während eines laufenden Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, ist uns sehr wohl bewusst. Wir zeigen Ihnen bei Bedarf gerne alternative Handlungsmöglichkeiten auf, die Ihrer persönlichen Arbeitsplatzsituation gerecht werden.